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„ROMEO und JULIA“

 

Texte des Pater Lorenzo von Mike - Martin Robacki

 zum

Kammerballett für drei Solotänzer und einen Schauspieler


 

 

PROLOG: Wieder tobt in Verona ein blutiger Bürgerkrieg. Pater Lorenzo begräbt die zahlreichen Toten in einem Massengrab.

 

Verona brennt...
erneut der Bürger dieser Stadt
zum Handwerk sich das Schwerte wählt!
Statt Brot zu kneten, Tuch zu weben,
statt an der Kunst sich zu ergötzen.
NEIN! Sie MORDEN einander..!
Leichen - ungezählt
stinken in Veronas Gassen.

 

Das Haus der Feinde bringen sie
als Fackel der Sonnenwende dar.
In heidnischer Ekstase  vollziehen sie

ein bestialisches Ritual -

Mit menschlichen Köpfen

auf der Spitze ihrer Schwerter,

taufen sie einander...   ...mit dem Blut ihrer Nachbarn.

 

TIERE!!!  BESTIEN!!!

Die vornehmsten Wesen in Gottes Plan?!

VERDAMMT SEID IHR - AUSGEBURTEN DER HÖLLE!!!

 

Als wenn mit ihm nicht

eben noch das Abendmahl geteilt,

des Sonntags vor der Kirche

einander man NICHT artig grüßte!

"DU SOLLST NICHT TÖTEN!"  -

leeres Pfaffengeschwätz?!!

 

Er schaut in das Massengrab:

 

Sie haben nicht verstanden,

...sie haben nicht verstanden.

„IM NAMEN DES FRIEDENS"  schreien sie,

in „GOTTES NAMEN“ gar.

"Im Namen des Friedens..."

Da habt ihr ihn...

 

Ungeachtet eures Streites

verfault ihr nun - im selben Schoß.

Die Würmer finden an euch keinen Unterschied!

Diese niederen Geschöpfe

wandeln ohne Fehl auf Gottes Pfaden...

Ach, hätten doch die Menschen

die Weisheit dieser Maden.

 

Lorenzo wirft die Kleider hinunter und klettert in das Grab:

 

Der letzte Segen,

der Pflicht der ich gebunden,

Genüg' zu tun, fällt schwer in diesen Stunden.

Denn LIEBE ist des Segnens heil'ger Sinn..!

die ich nach Mord und Mord, zu geben,

nicht mehr in der Lage bin.

 

"Es ist vollbracht..!"

Der Menschen stete Grausamkeit

hat Glauben mir und Herz zu Felsgestein erstarrt...

Und gibt es wirklich Wiederauferstehung...

bei Gott - so wünsche ich...

DIESE!  -  blieben dort verscharrt!!

 

Ich - ein PRIESTER?!

Ich höre Sie nach der Berufung fragen.

"LIEBET EINANDER!" -

dies Banner kann ich länger nicht mehr tragen.

 

Lorenzo ist resigniert, das Banner: „Liebet einander“ kann er länger nicht mehr tragen. Mit seinem Kruzifix legt er auch seine Priesterberufung nieder.

Doch ein im Grabe verschüttetes Primelchen weckt in ihm zärtliche Erinnerungen an lang vergangene Zeiten, an die Sprößlinge der verfeindeten Familien Capulet und Montague.

 

Hat doch der Bruder Marcus dich gänzlich übersehen...

Statt dich dem Grabe hinzugeben,

solltest, zartes Leben du, in der Sonne stehen...

 

Lorenzo hebt ein verschüttetes Blümchen auf:

 

Den Geschöpfen, die so fein,

so verletzbar sind geblieben,

kann man Zärtlichkeit nicht wehren,

muß man einfach lieben.

 

Verzeihen sie mein Innehalten -

Rührung läßt mich weilen...

Dies Gewächs trifft meine Seele

schwerer noch, als lange Gräberzeilen.

 

Lockt es doch mein greises Denken

weit in die Vergangenheit.

Auch damals brannte zwischen würdevollen Häusern

ein gar nicht würdevoller Streit.

Auch damals gab ein Wort das and're,

folgten Straßenschlachten ungestümer Horden.

Und dem Tod des ersten Anverwandten

folgte Mord und Mord fürs Rachemorden.

 

Doch inmitten beider Häuser Frevel,

wuchs ein Pflänzlein, unbefleckt und lebensfroh.

Es war die Liebe dieser Feinde Kinder,

von Julia und ihrem Romeo.

 

Musik beginnt:

 

1. BILD: Lorenzos Erinnerungen werden lebendig, er taucht begeistert ein in das Geschehen im alten Verona.

 

 

Es ist die Zeit der Masken und Kostüme.

Am Markt herrscht fröhliche Geschäftigkeit.

Dieser Duft von Blumen und frischem Backgewerke

tröstet jedermann's Herz.

Verona - ist heut' ohne Streit.

 

Auch Montague's und Capulet's

fügen leidlich sich in diese Harmonie,

denn des Prinzregenten Spruch

bedroht - bei erneutem Friedensbruch -

mit dem Tode sie.

 

Ein trügerischer Frieden,

denn der Feinde Haß

ist mit Gesetzen nimmer aufgewogen!

Nur Romeo - ein Montague -

und Julia - eine Capulet -

finden in argloser Liebe

sich zueinander hingezogen.

 

Romeo taucht auf und trifft auf dem Markt Julia. Doch die Amme schiebt sie eilig weiter. Lorenzo sammelt Kräuter und Blumen, ihm offenbart Romeo seine neue Liebe. Der Pater kennt Romeos schnelle Entflammbarkeit und winkt ab. Romeo entwendet dem gehenden eine Rose und verehrt sie seiner Angebeteten.

 

Die Amme eilt über den Markt. Romeo fängt sie ab und erbettelt sich eine Maske, mit der er sich zum Ball im Hause der Capulets einschleichen will.

 

 

2. BILD: Julia wirft in ihrem Zimmer alle Sachen auf einen Haufen und beginnt eine kokette Kleiderschau. Als die Amme dazukommt, wird diese „Opfer“ Julias mädchenhaften Übermutes.

 

Lorenzo hat sein altes Tagebuch gefunden und blättert durch verblaßte Erinnerungen.

 

Mein treues Tagebuch...

Zeuge sei es, da, wo das Vergessen

die feingesponnene Erinnerung

wie Motten hat zerfressen.

 

Lorenzo liest aus seinem alten Tagebuch:

 

Geladen haben mich zum großen Feste

die Capulets.

Weil ein Pfarrer wohl dazugehört...

doch nur der Etiketten wegen.

Und man hofft,

daß ich auch pünktlich wieder gehe -

da beim süffisanten Spaß der Gäste

das Aug' der Kirche eher stört...

 

Die Feier gilt dem Grafen Paris,

aus des Prinzregenten Hause.

Denn Paris wirbt um Juliens Hand.

 

Capulet ist sehr zufrieden,

denn durch diesen Ehebund

wär` der Machtkampf gegen Montague

zu seiner Gunst entschieden.

 

Man hofiert sich also -

artig lacht man über alberne Belanglosigkeiten.

Und selbst das feierliche Maskenlüften

verrät bei diesem Karneval Verborg'nes nicht.

Denn die vollkommenste der Masken

ist ihr eigenes Gesicht.

 

 

3. BILD: Es ist ein Nebenraum zum großen Ballsaal im Hause der Capulets. Dort trifft Romeo auf Julia, die sich in das Foyer zurückgezogen hat, um für sich alleine zu tanzen.

Beide ergeben sich traumartigen Liebesbezeugungen.

Plötzlich eilen Amme und Lorenzo in den Raum. Romeo ist entdeckt worden, er muß fliehen.

 

LORENZO eilt aufgeregt nach vorne:

 

Tybalt -

ein Cousin von Julia,

hatte Romeo als einen Montague erkannt

und bereits den Diener

nach seinem Schwert gesandt!

 

Als Hohn am Hause Capulet

empfand er Romeos Erscheinen

und wollte Rache nehmen an dem frechen Feind.

Fürwahr - es hat nicht viel gefehlt...

 

Es wird dunkel:

 

Die Nächte in Verona sind trügerisch still.

Wer Feinde hat - fürchtet die Dunkelheit.

Meterhohe Mauern umragen die Bürgerhäuser.

 

Mag sein - sie wehren gut dem Feinde,

dem Bettelmann und Dieben,

doch nimmer wehren alle diese Grenzen

dem grenzenlosen Lieben.

 

Um Julia zu sehen

kann Romeo nicht länger warten

und schleicht sich - todverachtend -

in Capulets düsteren Garten.

 

Liebe kennt Gefahr,

Vergangenheit und Zukunft nicht.

Nur das JETZT, DIESER Augenblick

ist für die Liebe von Gewicht.

 

Ach - fänd ich einen Kräutersaft,

der uns zueinander brächte,

GEDANKENLOS - wie sie und ihn -

er wäre für die Welt - ich glaub es ehrlich -

die rechte Medizin.

 

 

4. BILD: Romeo wirft ein Steinchen an Julias Zimmerfenster. Julia tritt überrascht in die Nacht hinaus. Beide ergeben sich ihrer Leidenschaft füreinander.

 

 

5. BILD: Die Amme sucht am nächsten Morgen Pater Lorenzo, um ihn in die Kirche zu holen. Dort soll er Romeo und Julia miteinander vermählen.

 

 

6. BILD: Romeo und Julia können es nicht erwarten, endlich verheiratet zu sein. Lorenzo kommt hinzu und willigt nach einiger Überlegung ein, die Trauung zu vollziehen. Als sie ihn danach in Liebesungeduld verlassen, kniet der Pater zum innigen Gebet nieder.

 

Ich ahnte Verhängnis und doch -

war ich geneigt, den beiden beizusteh'n.

"Vielleicht, daß dieser Bund

zu großem Glück sich wendet,

und ihrer Häuser Groll

durch ihn in Freundschaft endet."

 

...Gottes Wege...

nicht immer mag ich sie verstehen...

Ein Mensch bin ich!

 

Lorenzo tritt an die Rampe und erinnert sich:

 

Kaum traten - jungvermählt -

sie in Veronas leidgeprüfte Gassen,

traf Tybalt sie

und fordert mit dem Schwerte - Romeo,

in ein Duell sich einzulassen.

 

Romeo versichert ihm, daß er alle Capulets

wie eigene Geschwister liebe.

Doch Tybalt - haßentbrannt - besteht auf einen Kampf. 

 

Mercutio - geliebter Freund von Romeo -

will dieses Eifern schlichten

und stellt sich zwischen beiden auf,

nicht ohne einen Witz zu dichten...

Das Schwert Tybalts trifft ihn bis zum Knauf.

 

Mercutio stirbt in Romeos verzweifeltem Umarmen,

auf den Lippen bleibt zurück ein schweres Wort:

VERGELTUNG!

Und mit dem Schwert des Sterbenden

rächt ein tränenblinder Romeo

den Freundesmord.

 

 

7. BILD: Ein tränenblinder Romeo sucht den fliehenden Freundesmörder, selbst Julia kann ihn nicht zurückhalten. Romeo findet und erschlägt Tybalt. Amme und Lorenzo kommen zu spät.

 

 

- PAUSE -

 

 

LORENZO findet das Schwert, mit dem Romeo Tybalt tötete.

 

Wo war das Glücksgestirn verborgen

für diese unglücksel'ge Weil?

Romeo - ein MÖRDER nun -

bedroht des Henkers Beil.

 

Warum hielt selbst die Liebe nicht

des Jungen racheschwere Hand?

Haß und Liebe -

beide sind so unergründlich

und trotzen dem Verstand.

 

Er will abgehen:

 

Romeo muß nun, um zu überleben,

Veronas Mauern meiden.

Doch bevor er flieht, schützt noch eine Nacht

das Brautgemach der beiden.

 

8. BILD: Romeo und Julia erwachen am Morgen nach ihrer Brautnacht. Romeo muß nun endlich aus den Armen der jungen Gattin fliehen, um dem Henker zu entgehen.

Die Amme kommt. In den Händen hält sie einen Brautkranz. Die Eltern von Julia wollen sie noch am selben Tag mit Graf Paris vermählen.

 

LORENZO tritt besorgt auf:

 

Einmal angefangen, nahm das Unglück seinen Lauf.

 

Die Capulets wollen ihre Tochter

noch am selben Tag vermählen.

Graf Paris bat darum, schnell zu verfahren.

Daß sie bereits vergeben,

schon Ehefrau nach Stand und Recht,

mag sie ihrem Vater nicht erzählen,

zu groß ist ihre Angst vor seinem Zorn.

 

Sie schickt nach mir,

daß ich ein Mittel brächte,

welches schmerzenlos zu Tode bringt.

Und käm ich nicht,

bei Gott, statt diese Schmach zu leiden,

wär' Liebkosung ihr ein Dolch,

der heiß ins Herze dringt.

 

Fürwahr, ich bin kein Meister der Intrigen...

 

Lorenzo findet bei sich ein Fläschchen:

 

Der Kräuterkunde tief vertraut,

auch geheimer Niederschriften,

hab' ich diesen Trunk gebraut

aus selt`nen Pflanzengiften.

 

Wohl dosiert der Tropfen Zahl

nach der Niederschrift Gebot,

bringt er kalten Schlaf dem Leib

so, als wär er tot.

 

Erst nach zweiundvierzig Stunden

kehrt der Atem wieder ein.

Bis dahin kann, um sie zu holen,

Romeo bei Julien sein.

 

Dieser Plan muß uns gelingen,

macht mich wieder hoffnungsvoll.

Nachricht werd' ich geben - Romeo -

mit Julia zu eilen,

in ein neues Land und Leben -

wo ihre Liebe reifen und Früchte tragen soll.

 

 

9. BILD Julia ist allein, sie hat Angst vor diesem Todesschlaf. Doch die Gedanken an Romeo helfen ihr, den Trunk einzunehmen.

Als die Amme das Zimmer betritt, glaubt sie, daß Julia sich das Leben nahm und sinkt entsetzt zusammen.

 

LORENZO tritt nach vorne. Aus seiner Hand schwebt das Tuch von Julia in das Grab hinab.

 

Nichts war feiner je gesponnen,

als der Lebenshauch, der uns durchweht.

Nichts ist gut genug ersonnen,

wenn die Fügung - and're Wege geht.

 

"Es ist nur Schlaf,

der die Todesbleiche Juliens nährt!"

 

Bevor mein Brief noch Kunde geben konnte,war Romeo bereits zu Pferd.

Denn ein Freund war schneller noch bei ihm,

mit viel zu früher Nachricht über Julias Schwinden.

Romeo besorgt sich Gift,

um neben seiner Angetrauten,

selbst den Tod zu finden.

 

Ach Vater - prüfe meinen Glauben

nicht an dieser Kinder Leiden.

Du gabst deinen Sohn bereits ans Kreuz.

Braucht denn wirklich diese Welt

das Opfer dieser beiden?..

 

 

10. BILD: Julia liegt in der Gruft aufgebahrt. Romeo findet sie dort und ergibt sich seiner verzweifelten Trauer. Dann schluckt er das Gift aus seinem Ring und stirbt unter Schmerzen.

Als Julia aus ihrem Scheintod erwacht, glaubt sie, daß Romeo eingeschlafen ist. Entsetzt bemerkt sie jedoch seinen Tod. Mit dem Dolch Romeos beendet auch sie ihr Leben.

Lorenzo und Amme kommen zu spät dazu.

 

LORENZO taucht aus seiner Erinnerung. Wieder steht er vor dem Massengrab. Er nimmt das Primelchen wieder an sich. Er segnet die Toten und geht auf einem von außen einfallenden schmalen Lichtstreif hinaus.

 

 

 

- ENDE -